Das Netzwerk „Gesund ins Leben“ des Bundeszentrum für Ernährung veröffentlicht neue nationale Empfehlungen zu Ernährung und Lebensstil vor und in der Schwangerschaft
Manchmal kann ich es selbst fast nicht glauben: das Baby oben auf dem Ultraschallbild – mein Sohn Nick – ist heute bereits 20 Jahre alt. Ich erinnere mich noch sooooo gut, wie ich ihn das erste Mal im Arm hatte, wie ich das erste Mal mit ihm im Kinderwagen durch den Ort gegangen bin und wie er den ersten Löffel Möhrenbrei gegessen hat. Wo ist bloß die Zeit geblieben….?!
Nick studiert inzwischen, lebt in einer WG, reist durch die Welt, kann seinen Kühlschrank alleine füllen, seine Wäsche alleine waschen und seine Finanzen alleine regeln. Wenn ich ihn anschaue, dann denke ich oft: okay, mein Job ist hier weitestgehend getan. Diese schlacksige, junge Kerl kommt gut klar im Leben, er braucht mich nur noch selten. Ein gutes Gefühl!
Wie alles begann
Im Jahr 1997 beschlossen mein Mann und ich unseren Kinderwunsch in die Tat umzusetzen. Ich war eine gesunde, aufgeklärte, normalgewichtige junge Frau und hatte großes Zutrauen in meinen eigenen Körper. Das Internet war damals noch kein allgegenwärtiges Medium und so habe ich mir weder einen großen Kopf ums Schwangerwerden gemacht, noch habe ich viel herumrecherchiert.
Als mein Frauenarzt die Schwangerschaft bestätigte, gab er mir Folsäure-Tabletten und den Hinweis, dass ich jetzt mit Katzen aufpassen müsse und keine rohen Eier mehr essen solle. Okay, kein Problem, sagte ich ihm. Die folgenden neuen Monate verliefen insgesamt völlig unproblematisch und im Sommer 1998 kam Nick – ebenfalls völlig unproblematisch – mit 3570 Gramm Geburtsgewicht auf die Welt.
Hatte ich Glück, dass alles so glatt lief? Lag es an meinen Genen, daran dass ich nie übergewichtig war? An meiner Ernährungsweise, an meinem Lebensstil und daran, dass ich ein sportlicher Mensch bin?
Gesunde Kinder sind nicht nur Glück
Tatsache ist, dass von den 800.000 Babys, die in Deutschland im Jahr 2016 geboren wurden rund 12.000 alkoholgeschädigt waren, weil ihre Mütter getrunken hatten. 68.000 Neugeborene hatten eine verminderte Schilddrüsenfunktion und mehr als 100.000 werdende Mütter einen Schwangerschaftsdiabetes. 87.000 Mütter rauchten auch während der Schwangerschaft weiter und ca. 300.000 Schwangere waren übergewichtig oder sogar adipös.
Und weil diese Zahlen wirklich alarmierend sind und offensichtlich noch immer viel Aufklärungsbedarf besteht, hat das Netzwerk Gesund ins Leben* die bundesweit einheitlichen Handlungsempfehlungen für die Schwangerschaft aktualisiert und vor allem: erweitert. Und zwar erweitert um die Zeit VOR der Schwangerschaft.
In dieser Zeit nämlich, wenn die Familienplanung im Kopf beginnt, können zukünftige Mütter und Väter eine Menge für die Gesundheit ihres Nachwuchses tun. „Bei Prävention gilt: je früher sie ansetzt, desto besser“, sagt Prof. Dr. Dr. Berthold Koletzko (Kinder- und Jugendarzt und Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin). „Neben Genetik spielen äußere Einflüsse eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Übergewicht und bestimmten Erkrankungen. Dabei gelten die ersten 1000 Tage ab der Empfängnis als besonders sensibles Zeitfenster und bereits VOR der Schwangerschaft lassen sich Weichen in Richtung Gesundheit stellen“.
Das heißt übersetzt: Deine Ernährung und dein Lebensstil beeinflussen nicht nur deine eigene Gesundheit. Auch die Gesundheit deines Kindes wird maßgeblich davon geprägt, wie gesund du und der Kindsvater seid, lebt und euch verhaltet. Aus den wichtigen ersten 1000 Tagen, von den Prof. Koletzko oben spricht, werden also die ersten 1000 Tage plus.
Deshalb: fang nicht erst an gesünder zu leben, wenn du bereits schwanger bist, sondern schon einige Wochen (besser: Monate!) davor!
Konkret empfehlen die Experten, dass Frauen, die eine Schwangerschaft planen
- schon jetzt mit der Einnahme von Folsäure beginnen
- ihr Körpergewicht bestmöglich an das persönliche Normalgewicht annähern (gilt auch für den Vater!)
- ihre Rauch- und Trinkgewohnheiten überprüfen und ggf. Entwöhnungsprogramme starten (gilt ebenfalls auch für den Vater!)
- ihren eigenen Impfstatus überprüfen lassen
- ihre Zähne checken lassen
- regelmäßige Bewegung in ihren Alltag einbauen
Warum diese “Die ersten 1000 Tage plus”-Empfehlungen?
Das Vitamin Folsäure
Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass Folsäure das Risiko für schwere Fehlbildungen des Embryos (Neuralrohrdefekte) reduzieren kann. Folsäure ist wichtig für Zellteilung und Wachstumsvorgänge. Frauen, die eine Schwangerschaft planen, wird empfohlen zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung 400µg Folsäure pro Tag einzunehmen. Ein entsprechendes Rezept bekommst du von deinem Frauenarzt/ärztin. Mit der Einnahme solltest du mindestens 4 Wochen vor der Empfängnis beginnen und die Tabletten bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels einnehmen. Wenn du unverhofft schwanger wurdest, dann sollte dir dein Arzt ein höherdosiertes Präparat verschreiben. Da das Neuralrohr des Embryos bereits 3 bis 4 Wochen nach der Befruchtung geschlossen wird, ist es ungemein wichtig, dass die Folsäurekonzentration im Blut der Mutter so schnell wie möglich den medizinischen Zielwert erreicht. Eine folsäurereiche Ernährung kann dabei zusätzlich helfen (dunkelgrünes Blattgemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Tomaten, Orangen).
Ein gesundes Körpergewicht
Wenn eine Frau stark übergewichtig oder sogar adipös ist, so reduziert dies ihre Chancen auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Außerdem haben adipöse Mütter ein höheres Risiko für Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen (Schwangerschaftsdiabetes, Früh- und Fehlgeburten). Die Babys erleiden häufiger Fehlbildungen und haben häufiger ein hohes Geburtsgewicht, was späteres Übergewicht des Kindes fördert. Schon mit einer Gewichtsabnahme von 5-10% können adipöse Frauen ihre eigene und die Gesundheit ihres Kindes deutlich verbessern. Auch übergewichtigen Vätern wird eine Gewichtsabnahme empfohlen, denn über die Spermien wird die Gesundheit des Kindes ebenso beeinflusst wie über die mütterliche Eizelle.
Das eine Gläschen Alkohol…
Ich möchte es hier ganz deutlich sagen: es gibt keine, für ein ungeborenes Kind risikolose, Menge Alkohol! Trinkt die Mutter, trinkt das Kind mit. Alkoholkonsum in der Schwangerschaft kann u.a. zu Fehlbildungen, Wachstumshemmungen, Nervenschädigungen und Intelligenzminderung beim Kind führen. Dabei ist das fetale Alkoholsyndrom die häufigste vermeidbare Behinderung bei Neugeborenen! Die Wochen und Monate vor einer Schwangerschaft sind eine gute Zeit, um sich über sein eigenes Trinkverhalten klar zu werden und sich das „Gläschen am Abend“ abzugewöhnen.
Auf eine Zigarette…
Da Nikotin bereits die Chance schwanger zu werden senkt, sind alle Frauen mit Kinderwunsch gut beraten den Glimmstängeln so schnell wie möglich Adieu zu sagen. Mit Baby im Bauch ist Rauchen (genau wie Alkohol) ein absolutes No-go. Auch Rauchen fördert Fehlbildungen, Früh- und Fehlgeburten, vorzeitige Plazentaablösungen sowie Allergien beim Kind. Eine geplante Schwangerschaft ist eine gute Gelegenheit, um mit dem Rauchen aufzuhören. Auf www.rauchfrei-info.de findest Infos und Unterstützung speziell auch für Schwangere. Und auch in diesem Artikel sind etliche Tipps aufgelistet, wie erfolgreich dem Glimmstängel entsagt. Sein Geld in Babysachen anstatt in Zigaretten zu investieren macht eh viel mehr Spaß 😉.
Der kleine Pieks
Praktisch alle Virusinfektionen in der Schwangerschaft sind gefährlich für Mutter und Kind. Und Schwangere sind aufgrund der hormonellen Anpassungen infektionsanfälliger als sonst. Deshalb ist jede Frau mit Kinderwusch gut beraten ihren Impfstatus zu überprüfen. Mumps, Masern, Röteln und Windpocken sind Lebendimpfstoffe, die in der Schwangerschaft nicht verabreicht werden dürfen. Dies sollte mit einem Sicherheitsabstand von mindestens einem Monat vor einer Empfängnis erfolgen. Totimpfstoffe wie z.B. Keuchhusten können grundsätzlich auch während der Schwangerschaft geimpft werden, aber auch hier gilt: vorher ist besser. Wenn du eine Schwangerschaft über den Herbst/Winter planst, dann sprich mit deinem Arzt unbedingt auch über die Grippeimpfung. Schwangere, die sich mit Grippe anstecken, erkranken oft sehr heftig. Auch wäre das Neugeborene durch den mütterlichen Impfschutz in den ersten Lebenswochen geschützt.
Schau auf deine Zähne
Wusstest du, dass Mütter mit unbehandeltem Karies die Kariesbakterien an ihr Kind weitergeben? Und eine Parodontitis der Mutter war in etlichen Studien mit einem erhöhten Risiko für eine Frühgeburt verbunden. Deshalb solltest du bei Problemen mit den Zähnen unbedingt rechtzeitig vor der Schwangerschaft zum Zahnarzt gehen und dich behandeln lassen. Während der Schwangerschaft ist eine gute Mundhygiene sehr wichtig, denn die hormonellen Veränderungen in den neun Monaten begünstigen die Entstehung von Zahnfleischentzündungen. Deshalb solltest du dir nicht nur regelmäßig die Zähne putzen, sondern auch stets die Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder kleinen Bürstchen säubern.
Immer in Bewegung bleiben
Der menschliche Körper ist nicht fürs Rumliegen auf der Couch konzipiert! Das gilt auch in der Schwangerschaft. Viele Untersuchungen zeigen, dass körperliche Aktivität in moderatem Ausmaß die Schwangerschaft an sich positiv beeinflusst und auch dem Baby zugute kommt (u.a. weniger Frühgeburten, Kaiserschnitte, Schwangerschaftsdiabetes, Inkontinenz, Rückenschmerzen). Die Zeit vor der Schwangerschaft kannst du prima dazu nutzen dir ein Sportprogramm auszusuchen, das dir Spaß macht und dich regelmäßig vom Sofa runterholt. Perfekt wären 5x pro Woche je 30 Minuten Sport. Und zwar in einer Intensität, bei der du noch ein Gespräch führen kannst. Walken, Radfahren, Schwimmen, Wassergymnastik, Aerobic, Yoga, Langlauf eigenen sich sehr gut. Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko sind natürlich ungeeignet. Sollte es Probleme während der Schwangerschaft geben oder du dir unsicher sein, sprich mit deinem Arzt. Grundsätzlich solltest du aber auch mit Baby im Bauch im Alltag mobil und beweglich bleiben.
Ja, Kinder sind eine verantwortungsvolle Aufgabe. Und unsere Verantwortung als Eltern fängt nicht erst in dem Moment an, in dem wir die Würmchen zum ersten Mal im Arm halten, sondern schon viele, viele Monate vorher. Ich bin sehr dankbar, zwei gesunde Kinder geboren zu haben und ich wünsche mir, dass möglichst jede Mutter und jeder Vater auf der Welt dieses Glück auch erfahren darf. Deshalb dieser Blogpost – mit dem ich dir auf keinen Fall Angst machen möchte, was alles passieren kann, sondern dir zeigen möchte, dass du mit wenigen Veränderungen in deinem eigenen Lebensstil ganz viel dafür tun kannst, dass dein Kind den besten Start ins Leben bekommt.
Alles Liebe! Dr. Alexa
Du planst schwanger zu werden oder bist bereits schwanger und möchtest dich noch genauer informieren? Dann schau doch mal auf diesen Seiten:
Dein Kind ist schon auf der Welt? Dann lad dir die kostenlose App. „Baby & Essen“ auf dein Handy. Hier werden vom Stillen über Beikost bis zum Familienessen alle Fragen zur Ernährung im 1. Lebensjahr beantwortet. Inkl. Breikalkulator und Papa-Modus.
Du bist Fachkraft und arbeitest mit schwangeren Frauen? Dann findest du die neuen Handlungsempfehlungen hier oder in gedruckter Form in der Fachzeitschrift „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“.
* Gesund ins Leben ist ein Netzwerk von Institutionen, Fachgesellschaften und Verbänden, die sich mit jungen Familien befassen. Das Ziel ist es, Eltern einheitliche Botschaften zu Ernährung und Bewegung zu vermitteln, damit sie und ihre Kinder gesund leben und aufwachsen.
Die Handlungsempfehlungen werden unterstützt durch den Berufsverband der Frauenärzte (BVF), den Deutschen Hebammenverband (DHV), den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sowie den wissenschaftlichen Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) und Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi).
Rechtlicher Hinweis: Aufgrund der derzeitigen Rechtslage, nach der schon das einfache Nennen von Marken sowie das Verlinken von Personen oder Orten als Werbung eingestuft wird, kennzeichne ich diesen Blogpost offiziell als BEITRAG MIT WERBLICHEN INHALTEN.
Persönlicher Nachtrag: Institutionen, Produkte, Marken, Menschen und Orte, die ich in diesem Beitrag genannt und/oder verlinkt habe, sind meine persönlichen Empfehlungen, die ich im Rahmen meiner journalistischen Tätigkeit ausspreche. Für keinen der gesetzten Links bekomme ich eine finanzielle Gegenleistung. Jede bezahlte Kooperation auf dem goodfood-Blog wird stets eindeutig als solche gekennzeichnet.
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